
Made in Germany: Vom Warnhinweis zum Gütesiegel

Doch was als Warnhinweis vor minderwertiger Billigware gedacht war, entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zu einem echten Gütesiegel. Noch auf der Weltausstellung 1876 in Philadelphia bezeichnete der deutsche Maschinenbau-Professor Franz Reuleaux Waren aus dem Kaiserreich als „billig und schlecht“. Dies löste in der Heimat eine kontroverse Debatte aus und leitete ein Umdenken ein: weg von der Preiskonkurrenz, hin zum Wettbewerb durch Qualität. Schon 1896 beschrieb der britische Journalist Ernest Edwin Williams das Label Made in Germany dann als Prädikat für Qualitätsgüter und kostenlose Reklame für deutsche Hersteller. Er machte die Einführung des Siegels gar für den Niedergang der britischen Wirtschaft am Ende des 19. Jahrhunderts verantwortlich. „Bis dahin waren die Deutschen als Dichter und Denker bekannt – nun wurden sie zu Erfindern und Unternehmern“, erläutert Markenexperte Frank Dopheide. „Hinzu kam, dass die englischen Verbraucher ein schlechtes Image deutscher Produkte im Kopf hatten und dann positiv überrascht wurden. So etwas verankert sich im Gedächtnis emotional und damit nachhaltig.“
Mit dem Grundsatz „Qualität statt Quantität“ hat sich auch das Solinger Unternehmen Wüsthof den Status als einer der besten Messerhersteller der Welt erarbeitet. Zwar war der 1814 gegründete Betrieb bei der Einführung des Siegels Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht auf dem englischen Markt aktiv, dennoch macht das Exportgeschäft des mittlerweile auf hochwertige Kochmesser spezialisierten Unternehmens heute 80% des Umsatzes aus. Beim Eintritt in neue Märkte spielt die Kennzeichnung Made in Germany stets eine gewichtige Rolle. „Für deutsche Firmen ist das ein echter Wettbewerbsvorteil, für die Messerbranche ist der Standort Solingen ein zusätzliches Plus“, berichtet Claudio Tasillo, Technischer Leiter bei Wüsthof und zuständig für die Produktqualität. „Im Ausland wissen sie nicht nur die Qualität deutscher Produkte, sondern auch die Lieferfähigkeit und treue zu schätzen.“
Aus Tasillos Sicht ist das Siegel ein Vertrauensvorschuss, eine Art Kredit. „Für uns bedeutet das einen permanenten Anspruch an die eigene Tätigkeit, niemals nachzulassen in der Anstrengung, besser zu werden.“ Die Ansprüche der Verbraucher würden stetig steigen und hohe Qualität lasse sich letztlich nur noch durch automatisierte Prozesse erreichen. Wie viele andere Mittelständler setzt Wüsthof deswegen neben hoch qualifizierten Mitarbeitern und ausgefeilten Qualitäts- kontrollen auch auf modernste Technologien. So investiert das Unternehmen jährlich 10% des Umsatzes in neue Roboter, Laserschneidanlagen und IT-Prozesse, um immer am Puls der Zeit zu bleiben.
Neue Potenziale dank Industrie 4.0
Text: Anne-Katrin Wehrmann